Bärbel und Jörg Nimke
In Arbeitskleidung zum Feiern
Das Benitzer Dorffest ist inzwischen sehr modern geworden. Bärbel Nimke erinnert sich gerne an das Dorffest im Jahr 1978 im Hofgarten des Herrenhauses zurück. Bei dem Fest erschienen die Mähdrescher-Fahrer nachts um eins nach der Arbeit in Arbeitskleidung zum Feiern. „Das war früher normal“, sagt sie. Die Dorffeste fanden viel im Freien statt, man verfügte damals nicht über den heutigen „Luxus“ einer Getreidehalle. Ihrer Meinung nach ist man heute viel zu verwöhnt. Beispielsweise fand der traditionelle Kuchenbasar auf der kleinen gepflasterten Terrasse am ehemaligen Kulturraum statt, auf der abends dann der Diskjockey auch noch seinen Platz fand. In den ersten Jahren fanden die Dorffeste von Benitz und Brookhusen getrennt statt. Das Dorffest wurde früher auch als Erntefest gefeiert, zu dem Pferdewagen geschmückt wurden, die dann eine Runde durch das Dorf drehten.
Schon damals konnte man in Benitz zahlreiche Veranstaltungen besuchen. Samstags wurde oft ein Tanzabend organisiert, an dem viele Einwohner teilnahmen. Mittwochs fanden regelmäßig Kinoabende bei Herrn Aude aus Hof Tatschow statt, wo die neuesten und angesagtesten Filme abgespielt wurden. Am Nachmittag bestaunten die Kinder das bunte Treiben auf der Leinwand und abends gab es Kino für Erwachsene. …
Walter und Elsbeth Rautenberg
Einen alten Baum verpflanzt man nicht
Elsbeth Rautenberg schwärmt noch heute von ihrem schönen, beschaulichen Haus an der Warnow, auch wenn der Fluss den Eltern große Sorgen bereitete, da er eine Gefahr für Kinder darstellte. Aber
nicht nur Familie Rautenberg lebte in diesem riesigen Haus, auch die Familien Boy, Zechlau, Keuchel, Baron, Berg und Knoblich fanden dort ein heimisches Plätzchen. Neben dem riesigen Gebäude stand ein aus Holz gebautes Haus, das von Familie Nickel bewohnt wurde. Walter Rautenberg schmunzelt, weil ihm zu dieser Familie sofort eine kleine Anekdote einfällt. Eines Abends sah sich Familie Nickel gemütlich und entspannt von ihrem Sofa aus einen Film im Fernsehen an. In diesem Film wurde über einen Flugzeugabsturz berichtet. Und dann passierte es! Zeitgleich als das Flugzeug im Fernsehfilm mit gewaltigem Krach abstürzte, krachte es auch im Haus der Familie Nickel. Ein Traktor fuhr rückwärts in das Mauerwerk ein! Völlig entsetzt und ahnungslos rannte die Familie nach draußen. Sie sahen, dass die Hausecke ihres kleinen, bescheidenen Heimes total zerstört und zertrümmert war. So ein Schreck! Die Familie erhielt vom dorfeigenen Stellmacher Ernst Voß jedoch umgehend Hilfe, und die eingefallene Wand wurde sofort repariert.
…. Eines Abends stand die Halle plötzlich lichterloh in Flammen. Die aus Holz gebaute Scheune und das aus Pappe geteerte Dach brannten wie Zunder. Feuerwehren aus der ganzen Umgebung wurden zum Einsatz gerufen, doch zu retten gab es nichts mehr. Durch die hohe Hitzeentwicklung und den starken Funkenflug vom aufkommenden Wind hielten die Feuerwehrleute stattdessen ihre Wasserschläuche auf das daneben stehende Tonnenhaus, in dem der Wehrleiter Horst Mohsakowski mit seiner Familie wohnte. Die Wände und das Dach seines Hauses wurden so heiß, dass sie bewässert werden mussten, um weitere Schäden zu verhindern. Das Feuer war so gewaltig und die Flammen schlugen so hoch, dass es im Tonnenhaus taghell war. Die Bewohner von Benitz waren anschließend in Aufruhr, denn im ersten Moment gingen sie von Brandstiftung aus. …
Frau Breiling
Man lebte von dem, was man hatte
Das Benitzer Leben war also sehr einfach und beschaulich. Für die Sicherheit und Ordnung im Dorf sorgte auch ein Polizist, der regelmäßig auf Streife ging. Doch was kontrollierte dieser eifrige Mann, mag man sich fragen. In Benitz leben doch nur friedfertige und gesetzestreue Bürger…! Nun ja, bis auf die kleinen Vergehen des Alltags vielleicht. So trug sich Folgendes zu: Zum Melken der Kühe musste man sich immer zur entlegenen Kuhkoppel begeben. Da Milchkannen schwer waren, bestritt man diesen Weg oft mit dem Fahrrad. Und als die Kannen dann prall gefüllt waren, hing man sie einfach an den Lenker und machte sich auf den Rückweg. So auch Frau Breiling. Für jeden von uns eine Selbstverständlichkeit, nur nicht für den Polizisten. Ganz offensichtlich stellte diese Art des Transports eine Gefahrenquelle dar und wurde mit einer Geldbuße von 10 Mark geahndet. Frau Breiling verriet uns jedoch, dass sie nie Strafe zahlen musste. Als Alternative konnte man nämlich noch zum Benitzer Schmied gehen und sich dort ein Transportgestell für das Fahrrad schmieden lassen. Doch nicht nur der Milchkannentransport unterlag einer strengen Überwachung, auch der „Kindertransport“ wurde beobachtet. Wollte man mal eben mit Kind und Kegel zum Bahnhof nach Huckstorf radeln, musste jeder mit seinem eigenen Rad fahren. Der Grund war, dass das Platznehmen auf dem Gepäckträger als ebenso gefährlich galt wie die Milchkannen am Lenker… So wurde also immer ein wachsames Auge auf unsere Benitzer gerichtet, damit sie auch sicher und friedlich leben konnten!
Annelis Reuter
Der Zusammenhalt im Dorf ist außerordentlich
Frau Reuter weiß noch ganz genau, wie es vor sich ging, wenn der Konsum im Dorf mit neuer Ware beliefert wurde und wie die Aufregung unter den Leuten stieg. Wenn es dann noch seltene Produkte wie Nüsse oder Bananen gab, war sie umso größer.
Jeder wusste, an welchem Tag die neue Ware angeliefert wurde. Man ging früh zum Konsum und sah den Wagen mit den begehrten Inhalten ankommen. Doch das bedeutete noch lange nicht, dass jetzt auch gleich eingekauft werden konnte. Schon gar nicht so viel, wie man wollte, denn es wurde alles genau zugeteilt! Zuerst einmal mussten die Waren natürlich abgeladen und dann auch noch einsortiert werden. Dann ging es los! Vor dem Laden hatte sich in der Zwischenzeit bereits eine Schlange gebildet. Besonders gut kann sich Frau Reuter an eine Frau namens Oma Arth erinnern, die genau über dem Konsum wohnte. Nun war Oma Arth wahrscheinlich nicht mehr die Jüngste und pflegte deswegen aus ihrem Fenster hinauszuschauen und bei sich bietender Gelegenheit einen Korb an einem Seil herunterzulassen. In diesem lag etwas Geld und man befüllte ihren „Einkaufskorb“ mit den Dingen, die sie laut Einkaufszettel brauchte. Die Benitzer waren schließlich hilfsbereit!
Marianne Becker
Ein kleiner Engel in Benitz
Obwohl es auf dem Lande immer viel zu tun gab, hatten die Kinder und Jugendlichen dennoch eine schöne Kindheit, an die sich auch Frau Becker gerne erinnert.
Trotz weniger Spielsachen, wie beispielsweise Celluloidpuppen oder einfachen Holztieren, fanden die Kinder immer wieder neue Dinge, mit denen sie sich den Tag über beschäftigten. Wenn nicht gerade neue Puppenkleider genäht wurden, spielte man mit Murmeln, Ballspiele oder Verstecken, während manche Mütter auf den vor dem Haus stehenden Bänken saßen und sich ihren Handarbeiten widmeten. Eines der beliebtesten Spiele war das altbekannte „Eins, zwei, drei ins faule Ei“, erzählt Frau Becker.
Eines der schönsten und gemütlichsten Feste war Weihnachten. Überall roch es nach selbstgemachten Bratäpfeln und jedes junge Mädchen war gespannt, was für eine „neue“ Puppe wohl dieses Mal unter dem Weihnachtsbaum liegen würde. Dabei waren es nur die Kleider der kleinen Püppchen, die jedes Jahr ein neues liebevoll hergestelltes Strickmuster trugen. Ein Fest ohne den Weihnachtsmann gab es nicht. Ebenso gehörte auch das Schmücken des Weihnachtsbaumes mit bunten Kugeln, Bonbons, echten Kerzen und um den Stamm gewickelten Äpfeln dazu. Man feierte sehr besinnlich und genoss die Festtagsstimmung. Das Essen bestand ganz traditionell aus Kartoffeln und Bockwürsten. Meist führten die Kinder auch ein kleines Weihnachtsstück im Gutshaus auf, was immer mit viel Beifall belohnt wurde, worauf im Anschluss eine kleine Weihnachtsfeier für die Benitzer Gemeinde folgte. „Ich trug damals selbstgemachte Engelsflügel aus echten Federn“, schwärmt Frau Becker von ihrem Kostüm.
Marlies und Erich Lieske
Wir möchten von hier nicht mehr fort
„Die Lebensumstände waren damals katastrophal da unten“, erzählt Frau Lieske und meint damit die Kieskuhle. „Wasser holten wir aus einem Brunnen und einer kleinen Quelle. Manchmal trugen wir als Kinder auch einen kleinen Frosch mit im Eimer nach Hause“, erinnert sie sich lachend. Das Einkaufen war auch nicht einfacher als das Wasser holen! Haben die Kieskuhlenbewohner mal etwas Brot oder Mehl gebraucht, mussten sie immer nach Benitz stapfen, um sich von dort etwas aus dem Konsum zu besorgen. In den ersten paar Jahren kam einmal wöchentlich ein Einkaufsschiff über die Warnow gefahren, so wie heute der Einkaufsbus. Das Leben in der Kieskuhle verbrachte die Familie anfangs noch ohne Ofen im Haus. Sie besaßen eine alte, mit Steinen und Lehm ausgemauerte, Blechtonne, die als Ofenersatz für Wärme in der Wohnung sorgte. „Die Steinkohle haben wir an den Bahnschienen gesammelt. Wenn mal ein Zug vorbeifuhr und der Heizer drin war, warf er ein paar Schaufeln zu uns herüber. Darüber freuten wir uns sehr“, berichtet Marlies Lieske.
Für die Lieskes waren die Winter damals so schön, wie sie heute lange nicht mehr sind. Alles war zugefroren und verschneit. Sogar die Warnow war vereist, was sich wunderbar zum Holzholen anbot. Man nahm sich einen Schlitten, fuhr mit diesem auf die andere Seite der Warnow und kehrte anschließend mit einem voll beladenen Holzschlitten zurück. Auch zum Rodeln gab es hier viele Möglichkeiten. So vergnügten sich die Kinder aus Benitz, die im Winter wie im Sommer jedes Wochenende „unten“ in der Kieskuhle waren. Damals war das Gebiet noch nicht so zugewachsen. „Wir hatten eigentlich eine schöne Kindheit“, fasst Marlies Lieske zusammen, trotz der nicht so beneidenswerten Umstände in der Kieskuhle. …
Gisela und Lothar Krajewski
Ein Dorf wie jedes andere
Die Hausarbeit von damals ist mit der heutigen, in der es für fast jede Arbeit eine elektrische Maschine gibt, gar nicht mehr zu vergleichen. Damals musste alles ohne diese maschinelle Unterstützung gemacht werden und war zeit- und kraftraubend. Während wir heute einfach den Wasserhahn aufdrehen und wahlweise kaltes oder auch heißes Wasser in Hülle und Fülle zu Verfügung haben, musste damals jeder Tropfen Wasser erst einmal herangeschafft werden. Vor dem Herrenhaus gab es einen Brunnen, aus dem jeder sein Wasser schöpfte. Entsprechend oft war man dort nicht allein, sondern musste für das Wasser auch noch anstehen. Für den Haushalt wurde das Wasser in zwei Eimern, die an einem Holzgestell hingen, transportiert. Diese Trage aus Holz nahmen die Frauen über die Schulter und hängten rechts und links einen Eimer daran. Je weiter der Weg wurde, desto schwerer wurden die Eimer. Außerdem schwappte das Wasser über, wenn man nicht vorsichtig genug war oder zu schnell lief. Zum Tränken der Tiere wurde ebenfalls Wasser aus dem Brunnen entnommen. Allerdings geschah dies nicht mit Eimern sondern mit Fässern, die auf einen Holzschlepper mit Kufen gestellt wurden. Schwierig war die Wasserversorgung im Winter bei starkem Frost. Insbesondere für die Tiere holten die Bauern dann das Wasser aus dem Dorfteich. Der war zwar oft auch zugefroren, aber die Bewohner machten immer ein kleines Loch zum Wasserholen frei. Das Wasser wurde auch zum Wäsche waschen gebraucht. Zuerst wurde es heiß gemacht, dann die Wäsche darin gekocht und anschließend auf einem Waschbrett mit Seife sauber gerubbelt. Zum Spülen der Wäsche gingen die Frauen zum Dorfteich. Später wurde diese Arbeit zum Glück durch Waschkessel erleichtert, die dann jeder Haushalt in seiner Waschküche zu stehen hatte. …
Hannes Spitznagel
Wir haben alle zusammengehalten
1958 kaufte sich Hannes dann den ersten Fernseher. Sein Nachbar kommentierte diesen Kauf mit den Worten: „Was willst du mit einem Fernseher? Kauf dir doch lieber noch eine Kuh.“ Hannes hatte jedoch inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt und wusste, dass er sich nicht mehr lange gegen die LPG behaupten könne. Deshalb fand er die Idee mit der Kuh nicht wirklich gut. Noch im gleichen Jahr trat er der LPG bei und brachte seine Ländereien und Tiere in die Genossenschaft ein. 1958 gab es in Benitz bereits die LPG Typ II, in der nicht nur der Ackerbau gemeinsam betrieben wurde, sondern auch die Viehzucht. Erst viele Jahre später trennten sich die beiden Produktionen und 1974 wurden aus der LPG die KAP (Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion) und die Tierproduktion. Hannes´ Nachbar trat ebenfalls in die LPG ein und kaufte sich ein Jahr später auch keine Kuh, sondern einen Fernseher. Hannes konnte sich daraufhin die Frage: „Warum kaufst du dir denn nicht lieber eine Kuh?“, nicht unterdrücken und schmunzelt auch jetzt noch darüber. …
„Wer viel arbeitet, der soll auch feiern“, findet Hannes Spitznagel. Die Benitzer waren schließlich auch kein Volk von Traurigkeit. Es gab auf der LPG Brigadefeste und Betriebsfeste. Man feierte wie heute Dorffeste und Erntefeste, jedoch etwas kleiner. Das Dorffest fand manchmal auf dem Sportplatz statt, den Hannes übrigens selbst mit eingesät hat, später dann in der Getreidehalle. Auch in der Gaststätte im Ort fanden oft Tanzabende oder andere Feierlichkeiten statt. Die Gaststätte war überhaupt immer sehr gut besucht. Nach der Arbeit trafen sich die Männer oft noch zu einem Feierabendbier, bei dem es dann natürlich nicht blieb. So manches Feierabendbier wurde zum Bierabend und so manche Frau hat sicherlich wütend gedacht „der soll mir mal nach Hause kommen…“.
Wolfgang Krause
Benitz ist heute völlig anders als früher
Von einem Telefon hatte man schon mal was gehört, einen Fernseher schon mal gesehen, doch besessen hat die Familie vorerst nur ein Radio und etwas Geld, was jedoch auch damals schon knapp war. Zu Essen gab es neben Wurst, Käse, Milch und Brause alle Köstlichkeiten, die der Garten und die Tiere hergaben. In der eigenen Tierwelt auf dem Hof sprangen Kaninchen, Hühner, Enten und in der Anfangszeit auch ein Schwein umher. Wo dieses Schwein letztendlich gelandet ist, da kann man nur Vermutungen anstellen…Auf jeden Fall hat es eine Zeit lang ganz gut geschmeckt…
Kühlschränke gab es damals im eigenen Haus nicht, deshalb musste der Keller als Aufbewahrungsraum herhalten. Dort war es zwar kälter als in der Umgebung, aber wirklich lange aufbewahren konnte man die Lebensmittel nicht.
Ungern sprechen viele über ihre damaligen Trinkgeschichten. Geben tut es sie trotzdem. Begonnen hat es als Jugendlicher, geendet hat es bis heute nicht, doch geht man heute anders damit um. Diskotheken waren damals zwar auch schon angesagt, nur leider befanden die sich logistisch ungünstig: nämlich in der Rostocker Südstadt, ansonsten in Schwaan, Ziesendorf, oder Wahrstorf. Erst später, selbst organisiert, auch im Benitzer Jugendclub. Den Hinweg zur Disko absolvierte man oft mit Fahrrad oder Zug, den Rückweg mit Taxi oder aber schwankend und singend zu Fuß. Der Zusammenhalt zwischen den Jugendlichen eines Dorfes war damals viel ausgeprägter. Die Cliquen haben sich nach Herkunft gebildet. Das äußerte sich optisch darin, dass man immer zusammen an einem Tisch saß. Und das war nicht nur bei den Benitzern so.
Helga Mohsakowski
Ohne den Glauben wäre man verzweifelt
Kaum in Benitz angekommen, war Weihnachten – das erste Weihnachtsfest nach dem Krieg. Der Onkel hatte aus Bandow ein kleines Bäumchen mitgebracht, das Helgas Mutter liebevoll schmückte. Der Schmuck bestand aus einem Stück Getreideband. Das Getreideband benutzte man eigentlich, um im Sommer nach der Ernte die Getreidegarben zusammenzubinden. Es war aus Kunststoff und ließ sich prima auffasern. „Auf dem Weihnachtsbäumchen sah es aus wie Engelshaar“, erinnert sich Helga Mohsakowski. Außerdem hatte die Familie eine Kerze in ihren Besitz bringen können, sodass, wenn auch nur sehr spärlich, etwas Weihnachtsstimmung aufkommen konnte. Abends wurde nämlich oft der Strom stundenweise abgeschaltet, weil die Versorgung mit elektrischem Strom so kurz nach dem Krieg noch nicht ausreichte. Außerdem waren viele Leitungen schlecht und beschädigt. Helga Mohsakowski erinnert sich an dieses Weihnachten so deutlich als wäre es erst gestern gewesen: „Als wir nun alle mit der Kerze und unserem Bäumchen abends in der kargen und dunklen Stube saßen, ging plötzlich die Falltür auf. Oma Reinick, die selbst noch allein mit ihren drei Kindern lebte, weil ihr Mann noch in Kriegsgefangenschaft war, stand in der Tür und brachte jedem von uns Pfefferkuchen und eine Kanne mit heißem Kaffee. Sie war die Erste, die uns etwas gegeben hat. Das werde ich nie vergessen.“ Insgesamt betrachtete Helga Mohsakowski die Situation in diesen ersten Tagen in Benitz als Glücksfall. Sie waren den Flüchtlingslagern und auch dem Kuhstall in Bandow entkommen und hatten nun ein warmes Zimmer, ein kleines Weihnachtsbäumchen, ein paar trockene Kartoffeln, sodass sie nicht hungern mussten und zu guter Letzt auch noch heißen Kaffee und ein paar Pfefferkuchen. Außerdem besaß der Onkel ein Stück Siedlungsland, und der Krieg war endlich vorbei. Vorbei die schreckliche Zeit, in der das Leben nur aus Angst bestand. Es konnte von nun an nur noch aufwärts gehen!
Burkhard und Sieglinde Mohsakowski
Wir verbrachten eine schöne Kindheit in Benitz
Sieglinde und Burkhard erzählen, dass in der Benitzer Schule die erste und zweite sowie die dritte und vierte Klasse in je einem Raum unterrichtet wurden. Aus diesem Grund lassen sich auch die beiden Öfen im alten Kulturraum erklären, die jeder alteingesessene Benitzer kennt. Für jeden Raum ein Ofen also. Getrennt wurden die Räume durch „richtig massive Wände“, wie Burkhard Mohsakowski meint. Heute wäre es undenkbar, dass zwei Klassen in ein und demselben Raum unterrichtet werden. Damals bekam eine Bankreihe, die gleichzeitig auch eine Klassenstufe bildete, immer eine Arbeit zur Stillbeschäftigung vorgelegt, während die andere Klasse den Unterrichtsstoff durchging. Ebenfalls undenkbar wäre es heute, die Schwimmnoten wie damals zu erhalten. Heutzutage lernt man spätestens in der dritten Klasse schwimmen, früher brachten die Eltern es ihren Kindern bei. Das hatte jedoch auch Vorteile, denn wenn es in der Schule die heiß ersehnten Schwimmnoten gab, fragten die Lehrer einfach nach, ob man schwimmen konnte und ob man es einmal schaffen würde, durch die Warnow zu schwimmen. Konnte man das und bejahte, hatte man mindestens seine „ehrlich“ verdiente Zensur 2 sicher. Was für Zensurenträume!
Egbert und Annelies Buhrand
Es ist wichtig, Traditionen zu bewahren
Ostern und Weihnachten wurden auch damals schon im engen Familienkreis gefeiert. Nicht nur der Kirchenbesuch gehörte zu den festlichen Ritualen. „An Weihnachten“, erinnert sich Egbert, „lag jedes Jahr herrlich viel Schnee“. Zum besinnlichen Fest gehört für Annelies auch die gemeinsame Essenstradition dazu, worauf sie auch heute noch besteht. „Weihnachten ist ein Familienfest“, sagt sie dazu entschlossen. Stollen backen gehört für sie genauso dazu wie der Besuch vom bärtigen Weihnachtsmann. Nach wie vor sagt sie diesem auch ein Gedicht auf, „denn es ist wichtig, dass Traditionen bewahrt werden.“
Silvester oder Fasching wurde meist mit dem ganzen Dorf gefeiert, ebenso der 1. Mai, der Frauentag, der Kindertag oder das Erntefest im September. Das war damals immer der Höhepunkt im Jahr. Es gab einen Umzug durch das Dorf, für den die Wagen geschmückt wurden. Oft brachten sich auch die Organisationen wie die GST (Gesellschaft für Sport und Technik) mit ihrem Schießstand, die Volkssolidarität oder die FDJ-Jugend mit Veranstaltungen ins Dorfleben ein. „In Benitz war wirklich immer was los“, sagt Annelies dazu. Die Tanzdarbietungen wurden meist von einer musikalischen Kapelle begleitet. Man feierte auch schon immer große und fröhliche Dorffeste. Das erste fand 1975 im Park des Kulturhauses unter freiem Himmel statt. Die Bestuhlung und die Tanzfläche hatte sich das Dorf aus Schwaan geliehen. Anfang der 80-er Jahre wurde das Dorffest erstmalig in der Kornhalle gefeiert und zwar drei Tage lang. Nach der Wende 1989 wurde für fünf Jahre auf das jährliche Ereignis verzichtet und stattdessen eine Faschingsfeier im Dorf veranstaltet. Nachdem sich die Benitzer wieder für das Dorffest entschieden, wurde ein Jahr später, 1995, ein Verein gegründet. Der „Benitz-Brookhusen e.V.“ sollte und soll den Zusammenhalt des Dorfes wieder stärken.
Ute Pfau
Von „Hüppedick“ und Kartoffelferien
In die Schule kam Ute mit sieben Jahren. Sie besuchte noch von der ersten bis zur vierten Klassen zusammen mit vielen anderen die dorfeigene Grundschule. Schule? Nun ja, eher waren es zwei Klassenräume, in denen, typisch für diese Zeit, alle vier Klassen gleichzeitig unterrichtet wurden. Die Klassenzimmer waren im alten Kulturraum. Die Lehrerin Frau Peetsch, später Frau Seidel, wohnte gleich nebenan in einer der Wohnungen des Gutshauses. Sie war nicht nur die Lehrerin, die vormittags in der Schule etwas lehrte, sondern auch eine Pädagogin, die das Tagesprogramm der Kinder gestaltete. Ausflüge und lustige Nachmittage gehörten genauso zum Programm wie Mathe und Deutsch. Ein beliebtes Kinderspiel war „Hüppedick“ – alle, die es damals spielten, werden sich an dieser Stelle wahrscheinlich schmunzelnd daran zurück erinnern.
… Was gab es sonst noch so rund um das Thema Schule? An die Kartoffelferien kann sich Ute da noch sehr gut erinnern. Während dieser Ferien griffen die Schüler den Bauern beim Kartoffeln sammeln unter die Arme. Außerdem gab es damals noch die FDJ in Benitz. Betreut wurde diese von Richard Adameck. Das war also der Mann, der unsere damalige Jugend aktiv werden ließ und junge Menschen voller Tatendrang aus ihnen machte!